AntibiotikaresistenzMikrobiomSchweine

Minimierung durch den Antibiotikaeinsatz verursachter kollateraler Effekte in der Schweinehaltung: Eine Gratwanderung

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Von Dr Merideth Parke BVSc, Regional Technical Manager Swine, EW Nutrition

Bei der Aufzucht unserer Tiere spielen Antibiotika, die ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen unterstützen, eine wichtige Rolle wenn es um die Bekämpfung von durch antibiotikaempfindliche Krankheitserreger verursachte Krankheiten geht. Die Verabreichung von Antibiotika in der Schweinehaltung, um bakteriellen Infektionen vorzubeugen, wirtschaftliche Verluste zu verringern und die Produktivität zu steigern, ist mittlerweile jedoch zu gängiger Praxis geworden.

Jeder Antibiotikaeinsatz hat aber signifikante Nebeneffekte, so dass dessen Notwendigkeit auf jeden Fall eingehend geprüft werden muss. Dieser Artikel soll die weitreichenden Auswirkungen von Antibiotika auf die Gesundheit von Mensch und Tier, die Wirtschaft und die Umwelt zeigen und damit zum Nachdenken anregen, ob ein Antibiotikaeinsatz immer sinnvoll ist.

Antibiotika zerstören mikrobielle Gemeinschaften

Antibiotika haben nicht nur pathogene Bakterien im Visier. Sie richten sich auch gegen nützliche Mikroorganismen und stören damit das natürliche Gleichgewicht der mikrobiellen Gemeinschaften im tierischen Organismus. Sie reduzieren die Mikrobenvielfalt und den Reichtum an Bakterien, die auf Antibiotika empfindlich reagieren – sowohl nützliche als auch pathogene. Viele von diesen Mikroorganismen spielen bei der Verdauung, der Funktion des Gehirns, dem Immunsystem, den Atemwegen und der allgemeinen Gesundheit eine entscheidende Rolle. Ungleichgewichte z.B. im Mikrobiom der Nase, der Atemwege oder des Darms. 10, 9, 16können sich bei Tieren zeigen, die gesundheitliche Veränderungen aufweisen. Die Achse zwischen Darm- und Atmungsmikrobiom ist bei Säugetieren altbekannt. Gesundheit der Darmmikroben, Vielfalt, und Nährstoffversorgung wirken sich direkt auf Gesundheit und Funktion der Atemwege aus 15. Speziell bei Schweinen wird die Modulation des Darmmikrobioms als zusätzliches Instrument zur Bekämpfung von Atemwegserkrankungen wie PRRS in Betracht gezogen, da ein Zusammenhang zwischen Nährstoffverdauung, systemischer Immunität und der Reaktion auf Lungenerkrankungen besteht 12.

Nebenwirkungen einer Antibiotikagabe, die nicht nur die mikrobiellen Gemeinschaften im gesamten Tier, sondern auch die damit verbundenen Körpersysteme stören, müssen im Hinblick auf optimale Gesundheit, Wohlergehen und Produktivität der Tiere als bedeutsam angesehen werden.

Antibiotikaeinsatz kann zur Freisetzung von Toxinen führen

Die Berücksichtigung der Pathogenese einzelner Bakterien ist entscheidend, um das Potenzial für direkte Kollateralschäden im Zusammenhang mit der Verabreichung von Antibiotika zu mindern. Beispiel toxinbildende Bakterien: Wenn hier Medikamente oral oder parenteral verabreicht werden und zum Absterben dieser Bakterien führen, wird vermehrt Endotoxin aus der Zellwand der toten Mikroben freigesetzt.

Die Modulation der Gehirnfunktion kann kritisch sein

In zahlreichen Tierstudien wurde die modulierende Rolle der Darmmikroben auf die Darm-Hirn-Achse untersucht. Ein bekannter Mechanismus, der bei antibiotikabedingten Veränderungen der Mikrobiota im Kot zu beobachten ist, sind die verringerten Konzentrationen der hypothalamischen Neurotransmittervorläufer 5-Hydroxytryptamin (Serotonin) und Dopamin6. Neurotransmitter sind für die Kommunikation zwischen den Nervenzellen unerlässlich. Bei Tieren, bei denen die Mikrobiota durch eine orale Gabe von Antibiotika dezimiert wurde, wurden Veränderungen der Hirnfunktion festgestellt, z. B. Störungen des räumlichen Gedächtnisses und depressionsähnliche Verhaltensweisen.

Gülleaufbereitung kann beeinträchtigt werden

Die anaerobe Vergärung von Gülle ist aufgrund ihrer relativ geringen Kosten und der Vorteile der Bioenergieerzeugung als praktikables Verfahren zur Aufbereitung von Schweinegülle anerkannt. Darüber hinaus erleichtert das wesentlich geringere Volumen des nach der anaeroben Behandlung verbleibenden Schlamms eine sichere Entsorgung und verringert das Risiko, das mit der Entsorgung von Schweinegülle, die Restantibiotika enthält, verbunden ist 5.

Die Abgabe von Antibiotika mit tierischen Ausscheidungen und das daraus resultierende Vorhandensein von Antibiotika im Abwasser kann sich auf den Erfolg anaerober Behandlungstechnologien auswirken, was bereits in mehreren Studien nachgewiesen werden konnte 8, 13. Das Ausmaß, in dem Antibiotika diesen Prozess beeinflussen, ist je nach Art, Kombination und Konzentration der Antibiotika unterschiedlich. Außerdem können Antibiotika im anaeroben System zu einer Verschiebung der Population hin zu weniger empfindlichen Mikroben oder zur Entwicklung von resistenten Stämmen führen1, 14.

Antibiotika können in die Nahrungskette gelangen

Nach einer Antibiotikabehandlung müssen genaue Wartezeiten eingehalten werden, die von den Aufsichtsbehörden festgelegt werden. Rückstände von Antibiotika und ihren Metaboliten können jedoch auch nach dieser Zeit noch in tierischen Produkten wie Fleisch und Milch verbleiben und in die menschliche Nahrungskette gelangen, wenn sie nicht angemessen überwacht und kontrolliert werden.

Eine längerfristige Aufnahme niedriger Antibiotikakonzentrationen durch den Verzehr von tierischen Erzeugnissen kann zur Entstehung von antibiotikaresistenten Bakterien beim Menschen beitragen und stellt ein erhebliches Risiko für die öffentliche Gesundheit dar.

Antibiotika verschmutzen die Umwelt

Wie schon bereits erwähnt kann die Verabreichung von Antibiotika an Nutztiere zu einer Freisetzung dieser Verbindungen in die Umwelt führen. Antibiotika können durch die Ausscheidungen behandelter Tiere, durch unsachgemäße Entsorgung oder den Abfluss von Gülle von landwirtschaftlichen Feldern in den Boden, in die Gewässer und umliegende Ökosysteme gelangen. Einmal in der Umwelt, können Antibiotika zur Selektion und Verbreitung von antibiotikaresistenten Bakterien in natürlichen Bakteriengemeinschaften beitragen. Diese Verunreinigung stellt ein potenzielles Risiko für wild lebende Tiere wie Vögel, Fische und andere Wasserorganismen, sowie für das allgemeine ökologische Gleichgewicht der betroffenen Ökosysteme dar.

Jeder Einsatz von Antibiotika kann zu Resistenzen führen

Eines der am häufigsten untersuchten Probleme im Zusammenhang mit dem Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung ist die Entwicklung von Resistenzen. Die Entwicklung einer Antibiotikaresistenz erfordert keine längere Anwendung und tritt neben anderen Nebenwirkungen auch auf, wenn Antibiotika im Rahmen der empfohlenen therapeutischen oder präventiven Anwendungen eingesetzt werden.

Genmutationen können Bakterien mit Fähigkeiten ausstatten, die sie gegen bestimmte Antibiotika resistent machen (z. B. mit einem Mechanismus zur Zerstörung oder Ausscheidung des Antibiotikums). Diese Resistenz kann auf andere Mikroorganismen übertragen werden, wie die Resistenz gegen Carbadox bei Escherichia coli 7 und Salmonella enterica 2 oder gegen Carbadox und Metronidazol bei Brachyspira hyodysenteriae 16 zeigt. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass die Resistenz von Staphylokokken tierischen Ursprungs gegen Zink mit der Methicillinresistenz bei Staphylokokken menschlichen Ursprungs zusammenhängt 4.

Resistenzbildung führt zur Einschränkung der Wirksamkeit von Antibiotika bei der Behandlung von Infektionen bei den Zieltieren, und das Risiko, mit resistenten Keimen in Kontakt zu kommen, steigt für Tiere und Menschen in der Umgebung.

Es gibt alternative Lösungen!

Um die Kollateralschäden, die durch die Verabreichung von Antibiotika in der Tierhaltung entstehen, erfolgreich zu minimieren, ist eine einheitliche Strategie mit Unterstützung aller Beteiligten im Produktionssystem unerlässlich. Die Europäische Innovationspartnerschaft – Landwirtschaft 11 fasst die erforderlichen Schritte eines solchen Prozesses kurz und bündig wie folgt zusammen:

  1. Änderung der Denkweise und der Gewohnheiten der Menschen: dies ist der erste und entscheidende Schritt zu einer erfolgreichen Reduzierung des Einsatzes antimikrobieller Mittel.
  2. Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden bei Schweinen: Vorbeugung von Krankheiten durch optimale Haltung, Hygiene, Biosicherheit , Impfprogramme und Ernährung.
  3. Effektive Antibiotika-Alternativen: Zu diesem Zweck werden Phytomoleküle, Pro-/Präbiotika, organische Säuren und Immunglobuline in Betracht gezogen.

Generell ist der verantwortungsvolle Umgang mit Antibiotika von größter Bedeutung. Dazu gehört die Beschränkung des Einsatzes von Antibiotika auf die Behandlung diagnostizierter Infektionen mit einem wirksamen Antibiotikum und der Verzicht auf ihre Verwendung als Wachstumsförderer oder zu prophylaktischen Zwecken.

Gleichgewicht halten ist entscheidend!

Antibiotika spielen zwar eine entscheidende Rolle für die Gesundheit und das Wohlergehen von Nutztieren, doch ihr übermäßiger Einsatz in der Landwirtschaft hat Nebenwirkungen, die nicht ignoriert werden können Die Entwicklung von Resistenzen, die Kontamination der Umwelt, die Störung mikrobieller Gemeinschaften und mögliche Antibiotikarückstände in Lebensmitteln stellen ein großes Problem dar.

Ein verantwortungsvoller Umgang mit Antibiotika, einschließlich tierärztlicher Überwachung, Programmen zur Krankheitsvorbeugung, optimaler Tierhaltungspraktiken und Alternativen zu Antibiotika kann ein Gleichgewicht zwischen Tiergesundheit, effizienter Produktionsleistung sowie Belangen der Umwelt und der menschlichen Gesundheit herstellen.

Die Zusammenarbeit von Interessengruppen wie Landwirten, Tierärzten, politischen Entscheidungsträgern, Industrie und Verbrauchern ist für die Umsetzung und Unterstützung dieser Maßnahmen zur Schaffung einer nachhaltigen und widerstandsfähigen Tierproduktion unerlässlich.

Literatur:

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