Von Lea Poppe, Regional Technical Manager On-Farm Solutions Europa, und
Dr. Inge Heinzl, Editorin
Antibiotikaresistenz (AMR) ist eine der zehn globalen Bedrohungen der öffentlichen Gesundheit. Jim O’Neill (2016) prognostizierte, dass bis 2050 jährlich 10 Millionen Menschen an AMR sterben werden. Der folgende Artikel zeigt Ursachen der antimikrobiellen Resistenz und wie Antikörper aus dem Ei dazu beitragen könnten, dieses Problem einzudämmen.
Globales Problem: Antibiotikaresistenz durch unsachgemäßen Einsatz von antimikrobiellen Arzneimitteln
Antimikrobielle Substanzen werden zur Vorbeugung und Heilung von Krankheiten bei Menschen, Tieren und Pflanzen eingesetzt und umfassen Antibiotika, Virostatika, Antiparasitika und Antimykotika. Die Verwendung dieser Arzneimittel erfolgt nicht immer bewusst, teilweise aus Unwissenheit, teilweise auch aus wirtschaftlichen Gründen.
Eine falsche Therapie kann auf unterschiedliche Weise erfolgen
- Der Einsatz von Antibiotika gegen Krankheiten, die mit Hausmitteln geheilt werden können. Eine kürzlich veröffentlichte deutsche Studie (Merle et al., 2023) bestätigte den linearen Zusammenhang zwischen der Behandlungshäufigkeit und den Resistenzwerten bei Kälbern, die jünger als acht Monate sind.
- Der Einsatz von Antibiotika gegen Viruserkrankungen: Antibiotika wirken nur gegen Bakterien, nicht gegen Viren. Grippe zum Beispiel wird durch Viren verursacht, aber Ärzte verschreiben oft ein Antibiotikum.
- Die Verwendung von Breitspektrum-Antibiotika anstelle der Erstellung eines Antibiogramms und der Anwendung eines spezifischen
- Eine zu lange Behandlung mit antimikrobiellen Mitteln gibt Mikroorganismen Zeit, sich anzupassen. Für eine lange Zeit war der einzige Fehler, den man machen konnte, eine Antibiotikatherapie zu früh zu beenden. Heute lautet die Devise “so kurz wie möglich”.
Nehmen wir das Beispiel Neugeborenendurchfall bei Kälbern, eine der häufigsten Krankheiten mit großen wirtschaftlichen Auswirkungen. Kälberdurchfall kann durch eine Vielzahl von Bakterien, Viren oder Parasiten verursacht werden. Die infektiöse Form kann eine Komplikation von nicht-infektiösem Durchfall sein, der durch ernährungsbedingten, psychologischen und umweltbedingten Stress verursacht wurde (Uetake, 2012). Die Erreger, die Durchfall bei Kälbern verursachen, können sich von Region zu Region unterscheiden. In der Schweiz und im Vereinigten Königreich sind z. B. Rotaviren und Kryptosporidien die häufigsten Erreger, während in Deutschland auch E. coli dazu gehört. Um das Auftreten von AMR zu minimieren, ist es entscheidend zu wissen, welcher Erreger hinter einer Krankheit steckt.
Der prophylaktische Einsatz von Antibiotika ist immer noch ein Problem
- Der Einsatz von niedrig dosierten Antibiotika zur Wachstumsförderung. Diese Verwendung ist in der EU nun schon seit 17 Jahren verboten, in anderen Teilen der Welt ist sie jedoch immer noch üblich. Vor allem in Ländern mit niedrigen Hygienestandards weisen Antibiotika eine hohe Wirksamkeit auf.
- Der präventive Einsatz von Antibiotika, um z. B. Ferkeln die Absetzphase zu erleichtern oder zugekaufte Tiere in ihrer neuen Umgebung gegen die neuen Keime zu unterstützen. Antibiotika reduzieren den Erregerdruck, verringern das Auftreten von Durchfallerkrankungen und sorgen dafür, dass die Tiere weiterhin gut wachsen.
- Im Rahmen des prophylaktischen Einsatzes von antimikrobiellen Mitteln ist auch die Gruppenbehandlung zu erwähnen. In der Kälbermast sind Gruppenbehandlungen weitaus häufiger als Einzelbehandlungen (97,9 % aller Behandlungen), wie aus einer Studie, die die Medikation in der Kälberproduktion in Belgien und den Niederlanden dokumentiert, hervorgeht. Behandlungsindikationen waren dabei Atemwegserkrankungen (53 %), Einstallprophylaxe (13 %) und Durchfallerkrankungen (12 %). Darüber hinaus ergab die Studie, dass fast die Hälfte der antimikrobiellen Gruppenbehandlungen unterdosiert (43,7 %) und ein großer Teil (37,1 %) überdosiert war.
In mehreren Ländern fordern die Verbraucher mittlerweile jedoch einen reduzierten oder gar keinen Einsatz von Antibiotika (“No Antibiotics Ever” – NAE), und die Tierhalter müssen darauf reagieren.
Heutige Mobilität ermöglicht die weltweite Ausbreitung von AMR
Bakterien, Viren, Parasiten und Pilze, die nicht mehr auf eine antimikrobielle Therapie ansprechen, werden als resistent eingestuft. Medikamente wirken nicht mehr und damit wird die Behandlung der Krankheit schwierig oder sogar unmöglich. Alle vorher genannten unterschiedlichen Anwendungen bieten die Möglichkeit, dass resistente Bakterien/Mikroorganismen entstehen und sich vermehren. Aufgrund des globalen Handels und der Mobilität der Menschen verbreiten sich arzneimittelresistente Erreger rasch in der ganzen Welt, und gängige Krankheiten können mit vorhandenen antimikrobiellen Medikamenten wie Antibiotika nicht mehr behandelt werden. Standardoperationen können zu einem Risiko werden, und im schlimmsten Fall sterben Menschen an Krankheiten, die einst als behandelbar galten. Wenn neue Antibiotika entwickelt werden, hängt ihre langfristige Wirksamkeit wieder von ihrem korrekten und begrenzten Einsatz ab.
Zur Bekämpfung von AMR werden verschiedene Ansätze verfolgt
Es gibt bereits verschiedene Ansätze zur Bekämpfung von AMR. Als Beispiele können der jährlich in den Niederlanden veröffentlichte MARAN-Report, das EU-Verbot von antibiotischen Wachstumsförderern im Jahr 2006, “No antibiotics ever (NAE) programs” in den USA oder der jährlich veröffentlichte “Report on the Antimicrobial resistance surveillance in Europe” genannt werden. Einer der jüngsten Ansätze ist ein beratendes „One Health High Level Expert Panel” (OHHLEP), das von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE), dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Mai 2021 gegründet wurde. Da AMR viele Ursachen hat und folglich viele Akteure an ihrer Reduzierung beteiligt sind, möchte das OHHLEP die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen allen Sektoren und Interessengruppen verbessern. Ziel ist es, Programme, Strategien, Gesetze und Forschungsarbeiten zur Verbesserung der Gesundheit von Menschen, Tieren und Umwelt, die eng miteinander verbunden sind, zu entwickeln und umzusetzen. Ansätze wie die genannten tragen dazu bei, die Ausbreitung resistenter Erreger einzudämmen und damit weiterhin fähig zu sein, Krankheiten bei Menschen, Tieren und Pflanzen zu behandeln.
Zusätzlich zu den reinen Vorteilen für die Gesundheit verbessert die Reduktion von AMR die Lebensmittelsicherheit und trägt zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung bei (z. B. kein Hunger, gute Gesundheit und Wohlbefinden sowie sauberes Wasser).
Vorbeugung ist besser als Behandlung
Jungtiere wie Kälber, Lämmer und Ferkel erhalten im Mutterleib keine immunologische Grundausstattung und brauchen deshalb einen passiven Immuntransfer durch das mütterliche Kolostrum. Dementsprechend ist ein optimales Kolostrummanagement der erste Weg, um neugeborene Tiere vor Infektionen zu schützen, was durch die allgemeine Diskussion über den unzureichenden passiven Transfer bestätigt wird: Verschiedene Studien deuten darauf hin, dass Kälber mit einer schlechten Versorgung an Immunglobulinen häufiger an Durchfall erkranken als Kälber mit ausreichender Versorgung.
Vor allem während der immunologisch defizitären Phase, wenn die mütterlichen Immunglobuline abnehmen und das eigene Immunsystem noch nicht voll entwickelt ist, ist es entschei-dend, Aufstallung, Stressauslöser, Biosicherheit und Fütterung zu überprüfen, um das Risiko von Infektionskrankheiten und damit die Notwendigkeit von Behandlungen zu verringern.
Immunglobuline aus dem Ei bieten Jungtieren zusätzlichen Schutz
Auch wenn neugeborene Tiere rechtzeitig ausreichend Kolostrum erhalten und alles optimal verläuft, durchlaufen die Tiere zwei Immunitätslücken: Die erste tritt kurz nach der Geburt vor der ersten Aufnahme von Kolostrum auf, die zweite, wenn die mütterlichen Antikörper abnehmen und das Immunsystem des Jungtiers noch nicht vollständig aktiviert ist. Diese Immunitätslücken werfen die Frage auf, ob etwas anderes getan werden kann, um Neugeborene in ihren ersten Lebenstagen und -wochen zu unterstützen.
Die Antwort lieferte Felix Klemperer (1893), ein deutscher Internist, der über Immunität forschte. Er fand heraus, dass Hennen, die mit Krankheitserregern in Kontakt kommen, Antikörper gegen diese Erreger bilden und auf das Ei übertragen. Dabei ist es unerheblich, ob die Erreger für Hühner oder andere Tiere relevant sind. Diese Ei-Immunglobuline sind ein immunologisches Starterpaket für die Küken.
Neue Technologien ermöglichen es uns heute, hochwertige Produkte auf Basis von Eipulver herzustellen, die natürliche Ei-Immunglobuline (IgY – englisch→ immunoglobulins of the yolk) enthalten. Diese Ei-Antikörper agieren hauptsächlich im Darm. Dort erkennen und binden sie beispielsweise Durchfallerreger und machen sie auf diese Weise unwirksam.
Die Wirksamkeit der Ei-Antikörper wurde in verschiedenen Studien (Kellner et al., 1994; Erhard et al., 1996; Ikemori et al., 1997; Yokoyama et al., 1992; Marquart, 1999; Yokoyama et al., 1997) bei Ferkeln und Kälbern nachgewiesen.
Studie belegt hohe Wirksamkeit von Ei-Immunoglobulinen bei Ferkeln
Ein in Deutschland durchgeführter Versuch zeigte vielversprechende Ergebnisse hinsichtlich der Sterblichkeitsminderung in der Abferkelbucht. Für den Versuch wurden 96 Sauen und ihre Würfe in drei Gruppen mit jeweils 32 Sauen aufgeteilt. Zwei der Gruppen bekamen das Ei-Immunglobuline enthaltende Produkt Globigen Pig Doser oral verabreicht: eine Gruppe an den Tagen 1 und 3 und die andere Gruppe an den ersten drei Lebenstagen. Die dritte Gruppe diente als Kontrollgruppe und bekam kein Ergänzungsfuttermittel.
Unabhängig von der Häufigkeit der Anwendung unterstützte Globigen Pig Doser die Ferkel sehr gut und verringerte die Sterblichkeit im Vergleich zur Kontrollgruppe erheblich. Die Maßnahme führte dazu, dass pro Jahr 2 Ferkel mehr abgesetzt werden könnten als in der Kontrollgruppe.
Ei-Immunglobuline unterstützen junge Kälber
Um den Effekt von IgY-basierten Produkten auch an Kälbern zu testen, wurde ein Feldversuch auf einem portugiesischen Milchviehbetrieb durchgeführt. Es wurden zwei Gruppen mit je 12 Kälbern verglichen. Eine Gruppe erhielt oral ein IgY-haltiges Ergänzungsfuttermittel in Form einer Paste am Tag der Geburt und an den zwei darauffolgenden Tagen, die andere Gruppe bekam kein Produkt und diente als Kontrolle. Hauptsächliche, während eines zweiwöchigen Versuchszeitraums beobachtete Parameter waren das Auftreten von Durchfall, dessen Beginn und Dauer sowie die Antibiotikabehandlung, die auf dem Versuchsbetrieb im Falle von Durchfall standardmäßig durchgeführt wurde. Die Ermittlung des Durchfallerregers gehörte nicht zum Standardprogramm des Betriebs.
In diesem Versuch erkrankten in der Kontrollgruppe zehn von zwölf Kälbern an Durchfall, in der Versuchsgruppe leidglich fünf. Die Durchfalldauer bzw. Dauer der Antibiotikabehandlung betrug in der Kontrollgruppe insgesamt 37 Tage (durchschnittlich 3,08 Tage/Tier), in der Versuchsgruppe dagegen nur 7 Tage (durchschnittlich 0,58 Tage/Tier). Außerdem setzte der Durchfall bei den Kälbern der Globigen Calf Paste-Gruppe später ein, so dass die Tiere bereits die Chance hatten, ein zumindest minimal funktionierendes Immunsystem zu entwickeln.
Das Ergänzungsfuttermittel diente als wirksame Maßnahme, die Kälber während ihrer ersten Lebenstage immunologisch zu unterstützen und die Antibiotikabehandlungen damit drastisch zu reduzieren.
Schlussfolgerung
Die Reduzierung des Einsatzes antimikrobieller Substanzen ist eine der größten Aufgaben der Tierproduktion weltweit. Diese Reduzierung darf nicht zu einer Beeinträchtigung der Tiergesundheit und von Parametern wie Wachstumsleistung und allgemeiner Wirtschaftlichkeit erfolgen. Dieser allgemeinen Forderung kann durch einen ganzheitlichen Ansatz, der Biosicherheit, Stressreduzierung und Ernährungsunterstützung beinhaltet, Rechnung getragen werden. Ergänzungsfuttermittel wie Ei-Immunglobuline sind kommerzielle Optionen, die großartige Ergebnisse und Vorteile auf diesem Gebiet zeigen und die weltweite Tierproduktion in die richtige Richtung lenken werden.
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