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Verbot für Zinkoxid in 2022: Welche Alternativen gibt es?

von Inge Heinzl, Fellipe Freitas Barbosa, Henning Gersternkorn

Im Juni 2017 beschloss die Europäische Kommission, die Verwendung von Tierarzneimitteln mit hohen Dosen von Zinkoxid (3000 mg/kg) ab 2022 zu verbieten. Der Einsatz von Zinkoxid in der Schweineproduktion muss dann auf maximal 150 ppm begrenzt werden. Zur Erhaltung einer hohen Rentabilität sollten daher alternative Strategien zum Ersatz von Zinkoxid in Betracht gezogen werden.

Die moderne Schweinehaltung zeichnet sich durch eine hohe Intensität aus. In vielen europäischen Ländern werden Ferkel nach 3-4 Wochen, noch bevor ihre physiologischen Systeme voll entwickelt sind (z. B. Immun- und Enzymsystem), abgesetzt. Das Absetzen und damit die Trennung von der Sau sowie eine neue Umgebung mit neuen Keimen bedeuten Stress für die Ferkel. Außerdem wird die hochverdauliche Sauenmilch, auf die die Ferkel bestens eingestellt sind, durch festes Starterfutter ersetzt. Dies, verbunden mit den oben genannten Stressoren, kann in der ersten Woche nach dem Absetzen zu einer verminderten Futteraufnahme und damit zu einer verzögerten Anpassung der Darmflora an das Futter führen. Da das Immunsystem von Tieren noch nicht voll funktionsfähig ist, können Krankheitserreger wie enterotoxische E. coli die Darmschleimhaut besiedeln. Dies kann sich möglicherweise zu einer gefährlichen Dysbiose und zu einem vermehrten Auftreten von Durchfällen führen. Unzureichende Nährstoffabsorption führt zu suboptimalem Wachstum mit schlechterer Futterverwertung. Die Folgen sind wirtschaftliche Einbußen durch höhere Behandlungskosten, geringere Erträge und Tierverluste.

Durchfall ist eine der häufigsten Ursachen für wirtschaftliche Verluste in der Schweineproduktion. Aus diesem Grund wurden in der Vergangenheit prophylaktisch Antibiotika als Wachstumsförderer eingesetzt. Antibiotika reduzieren den antimikrobiellen Druck und wirken entzündungshemmend. Zusätzlich zur Minderung von Krankheiten eliminieren Antibiotika Nährstoffkonkurrenten im Darm und verbessern so die Futterverwertung. Allerdings ist der Einsatz von Antibiotika als Wachstumsförderer in der EU seit 2006 aufgrund zunehmendem Auftreten von Antibiotikaresistenzen verboten. Als Ergebnis erschien Zinkoxid (ZnO) auf der Bildfläche. Eine 2012 in Spanien durchgeführte Studie (Moreno, 2012) zeigte, dass 57 % der Ferkel ZnO vor dem Absetzen und 73 % während der Wachstumsphase (27-75 Tage) erhielten.

Zinkoxid: Mehr Nachteile als Vorteile

Was machte den Einsatz von Zinkoxid so attraktiv? Zinkoxid ist preiswert, in vielen EU-Ländern erhältlich und konnte durch die Kombination verschiedener Vormischungen mit Zinkoxid als Spurenelement oft in hohen Dosierungen eingesetzt werden. In einigen Ländern jedoch ist mittlerweile eine tierärztliche Verordnung erforderlich, in anderen ist die Verwendung bereits verboten.

Zink ist ein Spurenelement. Es ist an der Zellteilung und -differenzierung beteiligt ist und beeinflusst die Wirksamkeit von Enzymen. Da auch die Zellen des Immunsystems Zink benötigen, stärkt eine bedarfsgerechte Ergänzung die körpereigenen Abwehrkräfte. Durch seine positive Wirkung auf die Struktur der Darmschleimhaut schützt Zink den Körper vor Krankheitserregern.

Wenn ZnO in pharmakologischen Dosen verwendet wird, wirkt es bakterizid z. B. gegen Staphylokokken (Ann et al., 2014) und verschiedene Arten von E. coli (Vahjen et al., 2016). Somit beugt seine prophylaktische Anwendung dem Auftreten von Durchfall und dem daraus resultierenden Leistungsabfall vor. Doch der Einsatz von Zinkoxid hat auch „Nebenwirkungen“:

Anreicherung in der Umwelt

Zink gehört zur Gruppe der Schwermetalle. Als Leistungssförderer muss es in relativ hohen Dosen (2000–4000ppm) verabreicht werden. Diese hohen Mengen liegen weit über dem physiologischen Bedarf der Tiere. Durch relativ geringe Absorptionsraten (die Bioverfügbarkeit beträgt ca. 20 % (Europäische Kommission, 2003)) und dementsprechend die Anreicherung in der Gülle kann Zink zu erheblichen Umweltbelastungen führen.

Förderung der Entwicklung von Antibiotikaresistenzen

Neben seiner Anreicherung in der Umwelt spielt bei Zink noch ein weiterer Aspekt eine wichtige Rolle: Laut Vahjen et al. (2015) erhöht eine Dosis von ≥ 2500 mg/kg Lebensmittel das Vorkommen von Tetracyclin- und Sulfonamid-Resistenzgenen in Bakterien. Bei Staphylococcus aureus ist die Entwicklung von Resistenzen gegen Zink mit der gegen Methicillin kombiniert (MRSA; Cavaco et al., 2011; Slifierz et al., 2015). Ein ähnlicher Effekt ist bei der Entwicklung multiresistenter E. coli zu beobachten (Bednorz et al., 2013; Ciesinski et al., 2018).  Grund dafür ist, dass die Gene, die für die Antibiotikaresistenz kodieren, also diejenigen, die für die Resistenz „verantwortlich“ sind, im selben Plasmid (einem kleinen und vom Bakterienchromosom unabhängigen DNA-Molekül) zu finden sind.

Das heißt: ab 2022 kein Zinkoxid mehr in der Ferkelproduktion

Die negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die Förderung von Antibiotikaresistenzen führten 2017 zur Entscheidung der Europäischen Kommission, Zinkoxid als Therapeutikum und als Wachstumsförderer bei Ferkeln innerhalb von fünf Jahren vollständig zu verbieten.

Effektive Alternativen

Um ZnO zu ersetzen, muss die Schweineindustrie daher bis 2022 eine Lösung finden. Sie muss Strategien entwickeln, die die zukünftige Schweinehaltung auch ohne Substanzen wie Antibiotika und Zinkoxid effizient gestalten. Dazu sollten Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen wie Betriebsführung und Biosicherheit (z. B. effektives Hygienemanagement) ergriffen werden. Am wichtigsten für eine hohe Tierleistung ist jedoch die Förderung der Darmgesundheit.

Förderung der Darmgesundheit durch stabile Darmmikrobiota

Der Begriff Eubiose bezeichnet das Gleichgewicht der in einem gesunden Darm lebenden Mikroorganismen. Sie muss aufrechterhalten werden, um Durchfall vorzubeugen und die Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Allerdings können Absetzen, Futterumstellung und andere externe Stressoren dieses Gleichgewicht gefährden. Dadurch sind potenziell pathogene Keime in der Lage, das kommensale Mikrobiom zu „überwuchern“ und eine Dysbiose zu entwickeln. Durch den Einsatz von funktionellen Nahrungsergänzungsmitteln kann die Darmgesundheit verbessert werden.

Phytomoleküle – wirksame, von der Natur hervorgebrachte Stoffe

Phytomoleküle oder sekundäre Pflanzenstoffe sind von Pflanzen gebildete Substanzen mit den unterschiedlichsten Eigenschaften. Die bekanntesten Gruppen sind wohl die ätherischen Öle, es gibt aber auch Bitterstoffe, Scharfstoffe und andere Gruppen.

In der Tierernährung können Phytomoleküle wie Carvacrol, Zimtaldehyd und Capsaicin zur Verbesserung der Darmgesundheit und Verdauung beitragen. Sie stabilisieren die Darmflora, indem sie das Wachstum von Krankheitserregern verlangsamen oder stoppen. Wie? Phytomoleküle machen zum Beispiel die Zellwände einiger Bakterien durchlässig, so dass Zellinhalte austreten können. Sie stören den enzymatischen Stoffwechsel der Zelle oder greifen in den Ionentransport ein, wodurch die protonenmotorische Kraft verringert wird. Die Wirkungen sind dosisabhängig und können die Zerstörung der Bakterien oder zumindest die Eindämmung ihrer Vermehrung bedeuten.

Ein weiterer Angriffspunkt für Phytomoleküle ist die Kommunikation zwischen Mikroorganismen (Quorum Sensing). Phytomoleküle können Mikroorganismen daran hindern, sogenannte Autoinducer auszuschütten, die sie zur Koordination gemeinsamer Aktionen wie der Bildung von Biofilmen oder der Expression von Virulenzfaktoren benötigen.

Mittelkettige Triglyceride und Fettsäuren

Mittelkettige Triglyceride (MCT) und Fettsäuren (MCFA) sind durch eine Länge von sechs bis zwölf Kohlenstoffatomen gekennzeichnet. Dank ihrer effizienten Aufnahme und Verstoffwechselung können sie optimal als Energiequelle in der Ferkelfütterung genutzt werden. MCTs können vollständig von den Epithelzellen der Darmschleimhaut aufgenommen und mit mikrosomalen Lipasen hydrolysiert werden. Somit dienen sie als sofort verfügbare Energiequelle und können die Epithelstruktur der Darmschleimhaut verbessern (Hanczakowska, 2017).

Außerdem haben diese Nahrungsergänzungsmittel einen positiven Einfluss auf die Zusammensetzung der Darmflora. Sie können in die Bakterien durch die semipermeable Membran eindringen, im Inneren bakterielle Strukturen zerstören, und dadurch die Entwicklung von Krankheitserregern wie Salmonellen und Kolibakterien hemmen (Boyen et al., 2008; Hanczakowska, 2017; Zentek et al., 2011). MCFAs und MCTs können auch sehr effektiv gegen grampositive Bakterien wie Streptokokken, Staphylokokken und Clostridien eingesetzt werden (Shilling et al., 2013; Zentek et al., 2011).

Präbiotika

Präbiotika sind kurzkettige Kohlenhydrate, die für das Wirtstier unverdaulich sind. Bestimmte nützliche Mikroorganismen wie Laktobazillen und Bifidobakterien können diese Substanzen jedoch als Substrate verwenden. Die gezielte Stimulierung des Wachstums dieser Bakterien fördert die Eubiose (Ehrlinger, 2007). Beim Schwein werden hauptsächlich Mannan-Oligosaccharide (MOS), Fructooligosaccharide (FOS), Inulin und Lignocellulose verwendet.

Ein weiterer positiver Effekt von Präbiotika auf die Darmgesundheit ist ihre Fähigkeit, Krankheitserreger zu agglutinieren. Pathogene Bakterien und MOS können durch Lektin aneinander gebunden werden. Diese Agglutination verhindert, dass sich pathogene Bakterien an die Wand der Darmschleimhaut anheften und somit den Darm besiedeln (Oyofo et al., 1989).

Probiotika

Probiotika können verwendet werden, um eine unausgeglichene Darmflora zu regenerieren. Dazu werden dem Futter nützliche Bakterien wie Bifido- oder Milchsäurebakterien zugesetzt. Sie müssen sich im Darm ansiedeln und mit den schädlichen Bakterien konkurrieren.

Es gibt auch Probiotika, die auf die Kommunikation zwischen Krankheitserregern abzielen. In einem Experiment fanden Kim et al. (2017) heraus, dass Probiotika, die das Quorum Sensing beeinträchtigen, bei abgesetzten Ferkeln die Mikroflora und damit ihre Darmgesundheit signifikant verbessern können.

Organische Säuren

Organische Säuren zeigen bei Tieren eine starke antibakterielle Aktivität. In ihrer undissoziierten Form können die Säuren in die Bakterien eindringen. Im Inneren zerfällt das Säuremolekül in ein Proton (H+) und ein Anion (HCOO-). Das Proton senkt den pH-Wert in der Bakterienzelle und das Anion greift in den Eiweißstoffwechsel der Bakterien ein. Dadurch werden Wachstum und Virulenz der Bakterien gehemmt.

Zusammenfassung

Heute gibt es in der Ferkelernährung mehrere Möglichkeiten, die Jungtiere nach dem Absetzen effektiv zu unterstützen. Oberstes Ziel ist es, eine ausgewogene Darmflora und damit die Darmgesundheit zu erhalten – deren Verschlechterung führt oft zu Durchfällen und damit zu Mindererträgen. Die Darmgesundheit wird durch die Stimulierung nützlicher Bakterien und durch die Hemmung pathogener Bakterien gefördert. Dies kann durch Futtermittelzusätze erreicht werden, die antibakteriell wirken und/oder die Darmschleimhaut unterstützen, wie Phytomoleküle, Präbiotika und mittelkettige Fettsäuren. Durch eine Kombination dieser Möglichkeiten können additive Effekte erzielt, Ferkel optimal unterstützt und der Einsatz von Zinkoxid reduziert werden.

 

 

Literatur

Ann, Ling Chuo, Shahrom Mahmud, Siti Khadijah Mohd Bakhori, Amna Sirelkhatim, Dasmawati Mohamad, Habsah Hasan, Azman Seeni und Rosliza Abdul Rahman. “Antibakterielle Reaktionen von Zinkoxidstrukturen gegen Staphylococcus Aureus, Pseudomonas Aeruginosa und Streptococcus Pyogenes.” Keramik International 40, No. 2 (März 2014): 2993–3001. https://doi.org/10.1016/j.ceramint.2013.10.008.

Bednorz, Carmen, Kathrin Oelgeschläger, Bianca Kinnemann, Susanne Hartmann, Konrad Neumann, Robert Pieper, Astrid Bethe, et al. „Der breitere Kontext der Antibiotikaresistenz: Zinkfutterergänzung bei Ferkeln erhöht den Anteil an multiresistenten Escherichia Coli in vivo.“ International Journal of Medical Microbiology 303, No. 6-7 (August 2013): 396–403. https://doi.org/10.1016/j.ijmm.2013.06.004.

Boyen, F., F. Haesebrouck, A. Vanparys, J. Volf, M. Mahu, F. Van Immerseel, I. Rychlik, J. Dewulf, R. Ducatelle und F. Pasmans. „Beschichtete Fettsäuren verändern die Virulenzeigenschaften von Salmonella Typhimurium und verringern die Darmbesiedelung von Schweinen.“ Veterinärmikrobiologie 132, nein. 3-4 (10. Dezember 2008): 319–27. https://doi.org/10.1016/j.vetmic.2008.05.008.

Cavaco, Lina M., Henrik Hasman, Frank M. Aarestrup, Members Of Mrsa-Cg: Jaap A. Wagenaar, Haitske Graveland, Kees Veldman, et al. „Die Zinkresistenz von Staphylococcus Aureus tierischen Ursprungs ist stark mit der Methicillin-Resistenz verbunden.“ Veterinärmikrobiologie 150, nein. 3-4 (2. Juni 2011): 344–48. https://doi.org/10.1016/j.vetmic.2011.02.014.

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Ehrlinger, Miriam. 2007. „Phytogene Zusatzstoffe in der Tierernährung.“ Diss., LMU München.

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Europäische Kommission. 2003. „Stellungnahme des Wissenschaftlichen Futtermittelausschusses zur Verwendung von Zink in Futtermitteln.“

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Kim, Jonggun, Jaepil Kim, Younghoon Kim, Sangnam Oh, Minho Song, Jee Hwan Choe, Kwang-Youn Whang, Kwang Hyun Kim und Sejong Oh. “Einflüsse von Quorum-Quenching-probiotischen Bakterien auf die Darmmikrobengemeinschaft und die Immunfunktion bei Entwöhnungsschweinen.” Animal Science Journal 89, No. 2 (20. November 2017): 412–22. https://doi.org/10.1111/asj.12954.

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Slifierz, M. J., R. Friendship, and J. S. Weise. „Die Zinkoxidtherapie erhöht die Prävalenz und Persistenz von Methicillin-resistentem Staphylococcus Aureus bei Schweinen: Eine Randomisierte Kontrollierte Studie.” Zoonosen und öffentliche Gesundheit 62, No. 4 (11. September 2014): 301–8. https://doi.org/10.1111/zph.12150.

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