Die große Herausforderung: Sauen gesund und produktiv erhalten – Teil 2 – Die Fütterung als wichtiges Werkzeug – Phytomoleküle

Shutterstock Header

Dr. Inge Heinzl – Editor bei EW Nutrition, und Dr. Merideth Parke – Global Application Manager Swine, EW Nutrition

Der erste der beiden Artikel befasste sich mit allgemeinen Aspekten, die beachtet werden müssen, um einen Bestand gesunder und leistungsstarker Sauen sowie eine hohe Produktivität im Betrieb zu erreichen. Neben allgemeinen Maßnahmen können Futtermittelzusätze eingesetzt werden, um die Sauen zusätzlich zu unterstützen. Phytomoleküle mit Eigenschaften, die die Darm- und Allgemeingesundheit fördern, zeigen gute Wirksamkeit.

Phytomoleküle – wie können sie helfen?

Phytogene Stoffe, auch Phytomoleküle genannt, sind pflanzliche, natürliche bioaktive Verbindungen, die die Gesundheit und das Wohlbefinden von Nutztieren fördern und gleichzeitig die Wachstumsleistung und Produktionseffizienz verbessern. Phytomoleküle umfassen eine Vielzahl von Verbindungen, darunter Terpene, Phenole, Glycoside, Saccharide, Aldehyde, Ester und Alkohole.
In der Literatur werden verschiedene Wirkungen beschrieben, darunter verdauungsfördernde, immunstimulierende und entzündungshemmende, die Modulation der Darmmikroflora und antioxidative Effekte (Durmic and Blanche, 2012; Ehrlinger, 2007; Zhao et al., 2023). Außerdem werden östrogene und hyperprolaktinämische Eigenschaften (Farmer, 2018) und Einflüsse auf Kolostrum- und Milch-Sensorikprofile bei Schweinen (Val-Laillet et al., 2018) beschrieben. Phytomoleküle stellen demnach eine spannende antibiotische Alternative in der Schweineproduktion dar (Omonijo et al., 2018).

1. Phytomoleküle modulieren Darmmikrobiota

Phytomoleküle modulieren mit verschiedenen Mechanismen das Mikrobiom. Sie können pathogene Bakterien direkt bekämpfen, indem sie deren Zellmembran, Zellwand oder das Zytoplasma schädigen, den Anionenaustausch unterbrechen, den zellulären pH-Wert verändern oder das Energieproduktionssystem der Zelle hemmen. Zusätzlich kann die Virulenzfähigkeit pathogener Bakterien über den indirekten Mechanismus des „Quorum Quenching“ (Rutherford and Bassler, 2012).

Die positive Folge dieser gezielten mikrobiellen Regulierung ist der Erhalt der Diversität des Darmmikrobioms und die Verschiebung hin zu einer bakteriellen Population mit weniger pathogenen und mehr nützlichen Mikroben.

Nachweis der pathogenhemmenden Wirkung von Ventar D

In einer In-vitro-Studie wurde die Wirkung von Ventar D auf pathogene Clostridium perfringens und auf nützliche Lactobacillus spp. untersucht.

Versuchsablauf

Um die Wirkung von Ventar D auf vier verschiedene nützliche Lactobacillus-Stämme und auf pathogene Clostridium perfringens zu testen, wurde die phytogene Formulierung in folgenden Konzentrationen dem jeweiligen Nährmedium zugesetzt: 0 µg/mL (Kontrolle), 500 µg/mL (nur bei C. perfr.), 750 µg/mL, 1000 µg/mL (nur bei C. perfr.) und 1250 µg/mL.

Nach Kultivierung der Bakterien wurden die koloniebildenden Einheiten (KBE) gezählt.

Ergebnisse und Diskussion

Die Studie zeigte einen dosisabhängigen Rückgang der Clostridium perfringens-Population. Schon bei der niedrigsten getesteten Konzentration (500 µg/mL) war der antimikrobielle Effekt von Ventar D erkennbar; bei 750 µg/mL wurden nur noch wenige Kolonien beobachtet und bei 1000 µg/mL konnte kein Wachstum von C. perfringens mehr festgestellt werden.

Abb DE
Abbildung1: Wirkung von Ventar D auf Clostridium perfringens

 

Im Gegensatz dazu wurden selbst bei höheren Konzentrationen von Ventar D die Populationen der nützlichen L. agilis S73 und L. agilis S1 nur geringfügig beeinflusst, während L. casei und L. plantarum unbeeinträchtigt blieben.

Abb DE
Abbildung 2: Wirkung von Ventar D auf Lactobacillus spp.

These findings confirm the differential antimicrobial activity of Ventar D’s formulation, specifically a bactericidal effect on pathogenic C. perfringens populations and a mild to no inhibition of beneficial Lactobacillus spp.

2. Phytomoleküle verbessern die Darmintegrität

Die Darmbarriere ist semipermeabel und verantwortlich für die Immunüberwachung sowie für die Aufnahme von Nährstoffen und den Schutz vor unerwünschten Mikroben und Substanzen.

Die „Wächter“ im Darm sind spezielle Verbindungen zwischen den Zellen der Darmschleimhaut: Tight Junctions, Adherens Junctions und Desmosomen. Die Tight Junctions wirken wie Tore, die genau steuern, welche kleinen Moleküle und Ionen zwischen den Zellen hindurchtreten dürfen. Adherens Junctions und Desmosomen sorgen dafür, dass die Zellen fest miteinander verbunden bleiben und so die Schutzfunktion der Darmbarriere erhalten bleibt.

Oxidativer Stress durch Faktoren wie Hitzestress oder Fettoxidation im Futter sowie Dysbakteriose durch Futterumstellungen, Futterausfälle, schlechte Futterformulierung oder bakterielle Verunreinigungen kann die Integrität dieser wichtigen Zellverbindungen beeinträchtigen.

Die Stabilisierung dieser Tight Junctions verhindert das Eindringen von Bakterien und Toxinen in den Organismus. Dadurch wird das Auftreten von Krankheiten verringert, die Aktivierung des Immunsystems und von entzündlichen Prozessen reduziert. Aufgenommene Nährstoffe können dann für Wachstum genutzt und müssen nicht für Körperabwehr aufgewendet werden.

Nachweis der darmbarrierestabilisierenden Wirkung von Ventar D

Dazu wurde ein Experiment durchgeführt, in dem die Expression von Gen-Biomarkern für Tight Junctions, die eng mit der Darmintegrität zusammenhängen, bestimmt wurde.

Versuchsablauf:
Das Experiment wurde an Broilern durchgeführt. Sie erhielten 100 g Ventar D pro Tonne Futter. Nach 35 Tagen wurde die Genexpression von Claudin und Occludin gemessen (je höher die Genexpression, desto höher die Schädigung der Darmbarriere).

 

Abb DE
Abbildung 3: Auswirkungen von Ventar D auf die Funktion der Darmbarriere

Ergebnisse

Die niedrigeren Werte der Tight-Junction-Genexpression (Claudin und Occludin) bei den mit Ventar D gefütterten Tieren deuten auf einen geringeren Schädigungsgrad und eine robustere Darmbarriere hin (Abbildung 3).

3. 3. Phytomoleküle wirken antioxidativ

Wie bereits erwähnt, kann oxidativer Stress die Darmbarrierefunktion stören und sich negativ auf die Gesundheit von Sauen und Ferkeln auswirken. Daher ist es wichtig, reaktive Sauerstoffspezies (ROS) abzufangen, um Schäden an Enterozyten und Tight Junctions zu verringern.

Nachweis der antioxidativen Wirkung von Ventar D

Zur Demonstration der antioxidativen Wirkung von Ventar D wurde in diesem Fall ein in vitro Versuch durchgeführt.

Versuchsablauf

Die antioxidative Aktivität von Ventar D wurde mit dem ORAC-Test (Oxygen Radical Absorbent Capacity) gemessen. Der ORAC-Test bestimmt die antioxidative Aktivität einer Verbindung im Vergleich zum Vitamin-E-Analogon Trolox.

Ergebnis

Die Bestandteile von Ventar D zeigten eine stärkere antioxidative Wirkung als das Vitamin-E-Analogon Trolox (siehe Abbildung 4).

Abb DE
Abbildung 4: Antioxidative Kapazität von Ventar D verglichen mit Vit. E Analogon (AUC – Area under curve; Netto AUC=tatsächliche antioxidative Wirkung nach Abzug des Blindwerts)

4. Phytomoleküle mindern Entzündungen

Bei intensiver Tierhaltung sind Tiere täglich Entzündungen ausgesetzt, die durch verschiedene Stressoren verursacht werden, darunter Darmprobleme und Darmdysbiose, Verletzungen an Knochen, Muskeln oder Haut durch Rangkämpfe, Traumata an den Reproduktionsorganen durch Geburt und Laktation und diverse andere Krankheiten.

Bei Tieren mit hoher Leistungserwartung wie tragende oder laktierende Sauen werden Nährstoffe, bedingt durch Entzündungen, oft zum Immunsystem umgeleitet. Um übermäßige Entzündungsprozesse zu mindern, können Phytomoleküle mit entzündungshemmender Wirkung eingesetzt werden.

Nachweis der entzündungshemmenden Wirkung von Ventar D im in vitro Versuch

Die entzündungshemmende Wirkung von Ventar D konnte in einem in vitro Versuch, der in den Niederlanden durchgeführt wurde, gezeigt werden.

Versuchsablauf

Mauszellen (Murine Makrophagen, RAW264.7) wurden mit Lipopolysacchariden (LPS, Endotoxin) von E. coli O111:B4 (0,25 µg/ml) belastet, um eine Immunreaktion hervorzurufen. Zur Bewertung der Wirkung von Ventar D wurden zwei Konzentrationen (50 und 200 ppm) getestet, und die Konzentrationen von NF-κB, IL-6 und IL-10 bestimmt. IL-6 und IL-10 wurden direkt mit spezifischen ELISA-Kits gemessen, während die NF-κB-Aktivität über das von NF-κB induzierte Enzym SEAP (sekretierte embryonale alkalische Phosphatase) bestimmt wurde. Der Versuch war folgendermaßen aufgebaut (Abbildung 5):

Abb Versuchsdesign Entzündungshemmung
Abbildung 5: Versuchsaufbau

Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen eine dosisabhängige Reduktion der NF-κB-Aktivität in LPS-stimulierten Mauszellen: um 11 % bei 50 ppm und um 54 % bei 200 ppm Ventar D. Das proinflammatorische Zytokin IL-6 wurde herunterreguliert, während das antiinflammatorische IL-10 um 84 % bzw. 20 % erhöht wurde, was zu einer Verringerung des IL-6-/IL-10-Verhältnisses führte. Dieses Verhältnis ist entscheidend für das Gleichgewicht zwischen pro- und anti-inflammatorischen Effekten der zellulären Signalgebung.

Abb DE
Abbildung 6: NF-κB Konzentrationen

Abb DE
Abbildung 7: IL-6/IL-10-Verhältnis

 

5. Phytomoleküle verbessern Leistung und Effizienz

Die heutigen intensiven Produktionssysteme bringen viele Stressfaktoren mit sich. Phytomoleküle mit den unter 1. bis 4. genannten positiven Eigenschaften führen zu einer besseren Leistung der Tiere.
Bei Schweinen, die unter suboptimalen Bedingungen gehalten werden, ist der antimikrobielle Effekt der Phytomoleküle am wichtigsten. Bei stark wachsenden Tieren in einer Haltung unter optimalen Bedingungen sind antioxidative und entzündungshemmende Wirkungen entscheidend. Anabole Prozesse bei starkem Wachstum erhöhen oxidativen Stress, während zusätzlich nicht-infektiöse Entzündungen das Immunsystem belasten.

Nachweis der leistungsfördernden Wirkung von Ventar D bei Schweinen

Zur Bewertung der wachstumsfördernden Wirkung bei Schweinen wurde eine Studie auf einer kommerziellen Farm in den USA durchgeführt.

Versuchsablauf

Insgesamt 532 ca. 24 Tage alte abgesetzte Ferkel (unkastrierte Eber oder Jungsauen) wurden in 28 Buchten mit je 19 Tieren gehalten. Die Zuweisung der Ferkel in die Gruppen erfolgte nach Gewicht. Für das Drei-Phasen-Fütterungsprogramm (Phase 1 und 2: Pellets; Phase 3: Mehlfutter) wurde dem auf Mais und Sojabohnen basiertem Futter in Phase 1 und 2 jeweils ein Konzentrat mit Sojaproteinkonzentrat, Molkenpermeat und Fischmehl zugegeben (50 % der Gesamtfuttermenge in Phase 1, 25 % in Phase 2). Dem Futter wurden keine Medikamente zugesetzt.

Tabelle 1: Fütterungsschema und Produktdosierung

Versuchsgruppen Fütterungsphase 1 (Tag 1 – Tag 14) Fütterungsphase 2 (Tag 15 – Tag 24) Fütterungsphase 3
Kontrolle Kein Additive Kein Additive Kein Additive
Ventar D Ventar D 200 g/MT Ventar D 200 g/MT Ventar D 200 g/MT
Ergebnisse

Die Zugabe von Ventar D führte zu höherem Endgewicht und verbesserter Futterverwertung (FVW). Außerdem konnte eine niedrigere Mortalität beobachtet werden.

Abb DEAbb DEAbb DE

Abbildungen 8-10: Leistung von mit Ventar D gefütterten Ferkeln im Vergleich zu negativer Kontrolle

Phytomoleküle helfen, Sauen gesund und leistungsfähig zu halten

Die intensive Tierhaltung stellt eine erhebliche Belastung für die Tiere dar. Hohe Besatzdichten gehen oft mit einem hohen Infektionsdruck und Stress einher, und eine hohe Wachstumsleistung führt zu erhöhtem oxidativem Stress und Entzündungen. Es ist schwierig, all diese Herausforderungen zu kontrollieren. Phytomoleküle können jedoch eine Lösung sein, da ihre Wirkungsmechanismen mehrere relevante Bereiche abdecken.

Quellen

Durmic, Z., and D. Blache. “Bioactive Plants and Plant Products: Effects on Animal Function, Health and Welfare.” Animal Feed Science and Technology 176, no. 1–4 (September 2012): 150–62. https://doi.org/10.1016/j.anifeedsci.2012.07.018.

Ehrlinger, Miriam. “Phytogene Zusatzstoffe in der Tierernährung.” 2007. https://edoc.ub.uni-muenchen.de/6824/1/Ehrlinger_Miriam.pdf

Farmer, Chantal. “Nutritional Impact on Mammary Development in Pigs: A Review.” Journal of Animal Science 96, no. 9 (June 15, 2018): 3748–56. https://doi.org/10.1093/jas/sky243.

Omonijo, Faith A., Liju Ni, Joshua Gong, Qi Wang, Ludovic Lahaye, and Chengbo Yang. “Essential Oils as Alternatives to Antibiotics in Swine Production.” Animal Nutrition 4, no. 2 (June 2018): 126–36. https://doi.org/10.1016/j.aninu.2017.09.001.

Rutherford, S. T., and B. L. Bassler. “Bacterial Quorum Sensing: Its Role in Virulence and Possibilities for Its Control.” Cold Spring Harbor Perspectives in Medicine 2, no. 11 (November 1, 2012). https://doi.org/10.1101/cshperspect.a012427.

Val-Laillet, David, J Stephen Elmore, David Baines, Peter Naylor, and Robert Naylor. “Long-Term Exposure to Sensory Feed Additives during the Gestational and Postnatal Periods Affects Sows’ Colostrum and Milk Sensory Profiles, Piglets’ Growth, and Feed Intake1.” Journal of Animal Science, June 29, 2018. https://doi.org/10.1093/jas/sky171.

Zhao, Bi-Chen, Tian-Hao Wang, Jian Chen, Bai-Hao Qiu, Ya-Ru Xu, Qing Zhang, Jian-Jie Li, Chun-Jiang Wang, Qiu-Feng Nie, and Jin-Long Li. “Effects of Dietary Supplementation with a Carvacrol–Cinnamaldehyde–Thymol Blend on Growth Performance and Intestinal Health of Nursery Pigs.” Porcine Health Management 9, no. 24 (May 23, 2023). https://doi.org/10.1186/s40813-023-00317-x.




Die große Herausforderung: Sauen gesund und produktiv erhalten – Teil 1 – Allgemeines zu beachten

HEADER DSC

Dr. Inge Heinzl – Editor bei EW Nutrition und
Dr. Merideth Parke – Global Application Manager Swine, EW Nutrition

Die Sterblichkeit bei Sauen hat einen entscheidenden Einfluss auf Herdenleistung und -produktivität in der modernen Schweineproduktion. Die Gesunderhaltung der Sauen ist demnach die beste Strategie, sie am Leben und leistungsfähig und damit die Profitabilität zu erhalten.

Steigende Sterblichkeitsraten sind alarmierend

In den letzten Jahren ist die Sauensterblichkeit in Schweinezuchtregionen vieler Länder gestiegen. Eckbergs (2022) Ergebnisse der MetaFarms Ag-Plattform (einschließlich Betrieben in den Vereinigten Staaten, Kanada, Australien und den Philippinen) ergaben einen Anstieg von 66,2 % zwischen 2012 und 2021.

Sow mortality rates from 2012 to 2021
Abbildung 1: Sterblichkeitsraten bei Sauen von 2012 bis 2021 (Eckberg, 2022)

Was kann getan werden, um die Sterblichkeitsrate zu senken?

Um einen bestimmten Bestand an gesunden und leistungsstarken Sauen zu erreichen, können verschiedene Maßnahmen ergriffen werden. Nachfolgend werden die wichtigsten davon erläutert.

1. Feststellung der Todesursache

Ist eine Sau tot, muss zunächst geklärt werden, warum. Wird die Sau gekeult, ist der Grund für diese Entscheidung meist offensichtlich. Stirbt die Sau plötzlich, sind Untersuchungen, einschließlich einer gründlichen Obduktion, äußerst wertvoll, um die Todesursache festzustellen. Kikuti et al. (2022) stellten die häufigsten Todesursachen für den Zeitraum 2009 bis 2018 zusammen. Da oft keine Autopsie durchgeführt wird bleibt die Todesursache unklar – erkennbar an der hohen Anzahl in der Kategorie „Sonstiges“. Lokomotorische (z. B. Lahmheit) und reproduktive Ursachen (z. B. Prolaps, endotoxischer Schock durch verhaltenen Abort) machen etwa die Hälfte der dokumentierten Todesfälle aus Kikuti et al. (2022) – insbesondere in den ersten drei Trächtigkeiten (Marco, 2024).

 

Abb DE
Abbildung 2: Abgangsursachen und deren Häufigkeit von 2009 bis 2018 (Kikuti et al., 2022)

 

Durch die Auswertung der detaillierten Zuchtgeschichte und der Todesursache kann eine Perspektive gewonnen und Tierärzte, Ernährungsberater und Tierhaltungsteams bei der Intervention unterstützt werden, um ähnliche Ereignisse und eine frühzeitige Sterblichkeit der Sauen zu verhindern.

Auswahl der Jungsauen

Nach Auswahl der besten Genetik und der Aufzucht der Jungsauen unter optimalen Bedingungen muss die weitere Selektion auf körperliche Merkmale wie Körperbau, Gewicht, Größe sowie Bein- und Klauengesundheit fokussiert werden.
Da immer mehr Sauen in Gruppenhaltung gehalten werden, kann zudem die Selektion auf Stressresistenz die Ferkelleistung positiv beeinflussen(Luttmann and Ernst, 2024). Die folgende Tabelle vergleicht stressresistente (SR) und stressanfällige (SA) Sauen in Bezug auf die Ferkelleistung und zeigt, dass Ferkel von stressanfälligen Sauen schlechtere Leistungen erbringen.

Tabelle 1: Einfluss von Stressresistenz auf die Leistung (Luttmann and Ernst, 2024)

Merkmal SR SA p-Wert
Geburtsgewicht (kg) 1.350 ± 0.039 1.246 ± 0.041 0.083
Absetzgewicht (kg) 6.299 ± 0.185 5.639 ± 0.202 0.033*
TäZu während Säugezeit (kg/Tag) 0.191 ± 0.005 0.165 ± 0.005 0.004**

Least-Square-Mittelwerte und Standardfehler für stressresistente (SR) und stressanfällige (SV) Sauen je Merkmal; Signifikanzschwelle p<0,05, * zeigt 0,01<p<0,05, ** zeigt 0,001<p<0,01

Optimales Jungsauen-Management

The management of the gilts must consider the following:

Beim Management der Jungsauen müssen folgende Punkte berücksichtigt werden:

1. Alter beim ersten Rauschen sollte <195 Tage betragen:
Jungsauen, die früher das erste Rauschen zeigen, haben eine höhere tägliche Zunahme und in der Regel eine höhere Lebensleistung. In einer Studie von Roongsitthichai et al. (2013) zeigten Sauen, die bei Wurfnummer 0 oder 1 ausgemustert wurden, ihr erstes Rauschen im Durchschnitt mit 204,4 ± 0,7 Tagen, während Sauen, die bei Wurfnummer ≥5 ausgemustert wurden, ihr erstes Rauschen mit 198,9 ± 2,1 Tagen zeigten (P=0,015).
2. Alter bei der ersten Belegung sollte zwischen 200 und 225 Tagen liegen:
Werden Sauen zu spät belegt, besteht die Gefahr von Übergewicht, was zu kleineren Würfen bei der zweiten Trächtigkeit, längeren Absetz- bis Belegungsintervallen und kürzerer Nutzungsdauer führen kann.
3. Körpergewicht bei der ersten Belegung sollte zwischen 135 und 160 kg liegen:
Um dieses Ziel zwischen 200 und 225 Tagen zu erreichen, sollten die Jungsauen eine durchschnittliche tägliche Zunahme von 600–800 g aufweisen. Untergewichtige Jungsauen bei der Belegung führen zu kleineren Erstwürfen und geringerer Laktationsleistung. Übergewichtige Jungsauen (>160 kg) verursachen höhere Erhaltungskosten und haben häufiger Bewegungsprobleme.
4. Anzahl der Rauschen bei der ersten Belegung sollte 2 oder 3 betragen:
Die Rausche muss genau erfasst werden. Die Belegung sollte idealerweise bei der zweiten Rausche erfolgen, da dies sich positiv auf die Wurfgröße auswirkt. Eine Belegung bei der dritten Rausche sollte nur erfolgen, um das Mindestgewicht zu erreichen.
.

Haltung

Tragende Sauen werden zunehmend in Gruppen gehalten. Das Verständnis der Abläufe in der Gruppenhaltung ist entscheidend für den Erfolg. Die folgende Abbildung zeigt Faktoren, die eine erfolgreiche Gruppenhaltung beeinflussen.

Abb DE
Abbildung 3: Einflussfaktoren bei der Gruppenhaltung

 

Sind die Gruppen noch nicht gut etabliert, steigt der Stresslevel unter den Sauen, was zu folgenden Problemen führen kann:

  • Mehr Beinverletzungen durch aggressives Verhalten oder Kämpfe um Ressourcen
  • Höhere Abortraten und mehr Umrauscher
  • Verminderte Leistung der Sau, einschließlich verringerter Produktivität, geringerer Milchleistung und schlechterem Ferkelwachstum durch beeinträchtigte Immunfunktion und allgemeine Gesundheitsprobleme

Um Stress in der Gruppenhaltung zu reduzieren, ist ein gutes Gruppenmanagement entscheidend. Dazu gehören schrittweise Eingewöhnung, stabile Sozialstrukturen sowie ausreichender Platz und Ressourcen. Dies schafft eine ruhigere Umgebung, verbessert das Tierwohl und die Leistung der Herde.

Verantwortungsvolle Betreuung auf dem Betrieb

Betreuungspersonal muss gut geschult und in der Lage sein, eine hochwertige Versorgung sicherzustellen. Unzureichend qualifiziertes Personal kann das Wachstum und die Entwicklung potenzieller Jungsauen erheblich beeinträchtigen und damit ihre Eignung für die Zuchtgruppe mindern:

  • Wachstumsraten: Unzureichende Fütterung und Gesundheitsbetreuung führen zu geringeren Zunahmen und zu einer schlechteren körperlichen Verfassung
  • Gesundheitsprobleme: Fehlerhafte Handhabung erhöht das Risiko für Krankheitsübertragungen, Verletzungen und Stress, was Wachstum und Entwicklung beeinträchtigt
  • Verhaltensprobleme: Eine schlecht gemanagte Umgebung fördert Aggression und Konkurrenzverhalten und beeinträchtigt Gesundheit und Entwicklung
  • Auswahlkriterien: Mangelnde Kontrolle von Wachstum und Gesundheit kann zu einer falschen Einschätzung des Potenzials der Jungsauen führen, wodurch weniger geeignete Tiere für die Zuchtgruppe ausgewählt werden.

Tabelle 2: Einfluss der Betreuung auf das Wachstumsverhalten und die Kortikosteroid-Konzentration bei weiblichen Mastschweinen im Alter von 7-13 Wochen (Hemsworth et al., 1987)

Unangenehm Angenehm Inkonsistent Minimal
TäZu (g) 404a 455b 420ab 4.58b
FVW (Futter:Zunahme) 2.62b 2.46a 2.56b 2.42a
Kortikosteroid-Konz (ng/mL) 2.5a 1.6b 2.6a 1.7b

Verantwortungsvolle Betreuung auf dem Betrieb ist entscheidend, um Sauen gesund und leistungsfähig zu halten.
Schlechte Beobachtung der Sauen (z. B. Stress, Futterverweigerung oder Hitzestress werden nicht erkannt) oder ungeeignete Maßnahmen beim Abferkeln können die Gesundheit der Sauen direkt beeinträchtigen und ihre Leistung oder Lebensdauer verringern. Im Gegensatz dazu können eine schnelle und proaktive Identifizierung von Tieren, die Unterstützung benötigen, viele Sauen retten, die sonst verenden oder ausgemustert werden müssten.

Gesunde und leistungsfähige Sauen – das ist machbar!

Die Gesunderhaltung der Sauen ist eine Herausforderung, aber machbar. Wenn alle genannten Punkte – von der richtigen Genetik über die optimale Aufzucht der Ferkel bis hin zum sorgfältigen Management der Jungsauen – berücksichtigt werden, lassen sich Krankheiten und Leistungseinbrüche verhindern. Für all diese Aufgaben braucht es Landwirte und Mitarbeitende, die ihre Arbeit verantwortungsvoll und mit Leidenschaft ausführen. Ein folgender Artikel zeigt Ernährungsmaßnahmen, die den Darm und die Gesundheit der Sau unterstützen können.

Quellen:

Eckberg, Bradley. “2021 Sow Mortality Analysis.” National Hog Farmer, February 3, 2022. https://www.nationalhogfarmer.com/hog-health/2021-sow-mortality-analysis.

Hemsworth, P.H., J.L. Barnett, and C. Hansen. “The Influence of Inconsistent Handling by Humans on the Behaviour, Growth and Corticosteroids of Young Pigs.” Applied Animal Behaviour Science 17, no. 3–4 (June 1987): 245–52. https://doi.org/10.1016/0168-1591(87)90149-3.

Kikuti, Mariana, Guilherme Milanez Preis, John Deen, Juan Carlos Pinilla, and Cesar A. Corzo. “Sow Mortality in a Pig Production System in the Midwestern USA: Reasons for Removal and Factors Associated with Increased Mortality.” Veterinary Record 192, no. 7 (December 22, 2022). https://doi.org/10.1002/vetr.2539.

Marco, E. “Sow Mortality: How and Who? (1/2).” Pig333.com Professional Pig Community, March 18, 2024. https://www.pig333.com/articles/sow-mortality-how-are-sows-dying-which-sows-are-dying_20105/.

Luttmann, A. M., and C. W. Ernst. “Classifying Maternal Resilience for Improved Sow Welfare, Offspring Performance.” National Hog Farmer, September 2024. https://informamarkets.turtl.co/story/national-hog-farmer-septemberoctober-2024/page/5.

Roongsitthichai, A., P. Cheuchuchart, S. Chatwijitkul, O. Chantarothai, and P. Tummaruk. “Influence of Age at First Estrus, Body Weight, and Average Daily Gain of Replacement Gilts on Their Subsequent Reproductive Performance as Sows.” Livestock Science 151, no. 2–3 (February 2013): 238–45. https://doi.org/10.1016/j.livsci.2012.11.004.